Was in der Show passiert, ist schnell erklärt. Drei prominente Musiker sitzen auf einem Sofa, jeder von ihnen steht einmal im Mittelpunkt. Dann interpretieren zwei bisher unbekannte Gruppen oder Einzelkünstler zuerst nacheinander denselben Hit des Stars live in einer verkürzten Version. Anschließend trägt jeder der beiden Kandidaten – wieder live – eine vollständige Coverversion eines weiteren Liedes des Promis vor. Danach entscheidet der Stargast, wer ins Finale kommt. In diesem Finale stimmt das Studiopublikum darüber ab, wer von den drei übrig gebliebenen Teilnehmern Gesamtsieger ist.
Der Charme besteht darin, dass die Coverversionen sich stark von den Originalen und, wenn anfangs noch dasselbe Lied gesungen wird, auch voneinander unterscheiden.
Nun ist es im Jahr 2019 wenig originell, noch unentdeckte Musiktalente von Jurys oder Publika beurteilen zu lassen. Trotzdem begab sich ein Mitglied der COVER.INFO-Redaktion inkognito und auf eigene Kosten zu einer der Aufzeichnungen.
Die fanden statt in Grünwald-Geiselgasteig, dem Hürth-Kalscheuren Bayerns. Hier, vor den Toren Münchens, hat die Bavaria Film ihren Sitz und betreibt sie Fernsehstudios.
Aus dem englischsprachigen Arbeitstitel Cover The Hits wurde schließlich der englischsprachige Titel My Hit. Your Song..
Während sich an einem Dienstagnachmittag im Dezember Teile des Publikums zum Treffpunkt, dem Foyer 2, begeben, fahren schwarze Kleinbusse mit abgedunkelten Scheiben an ihnen vorbei. Es liegt Schnee. Im Foyer sind Jacken und größere Taschen abzugeben. Außerdem bekommt man hier seine gebuchte Eintrittskarte in die Hand gedrückt. Wer mag, kann jetzt noch was trinken. Später, wenn die Kameras laufen, wird das nicht mehr möglich sein. Zeit zur Flüssigkeitsaufnahme ist genug. Auf einem Schild steht, der Einlass sei voraussichtlich ab 18 Uhr. Ausgabe der Tickets ist von 16 Uhr 30 bis 17 Uhr 30.
Tatsächlich darf man (schon) ab 17 Uhr 55 ins Studio, muss sich aber erst abtasten lassen. Besonders gründlich geschieht das nicht. Wer eine weite Hose trägt, bekommt eine an den Unterschenkel gebundene Pistole unentdeckt durch die Sicherheitskontrolle.
Der Aufnahmeraum, das Studio 12, ist eine große Halle. Die mehrstündigen Shows mit Joko & Klaas werden darin produziert. Im Studio 9 nebenan lässt der SWR Verstehen Sie Spaß? fürs Erste herstellen.
Von unten, am Eingang, sieht die Tribüne aus wie ein Baugerüst. Man könnte glatt meinen, auf einer Baustelle gelandet zu sein, bei der eine ordentliche Menge Beton in Form gegossen wird. Erst nach dem Hinaufsteigen und dem Erblicken der Kulisse besteht Gewissheit, dass hier Hochglanzfernsehen entsteht. Das Publikum wird auf die vorhandenen Plätze verteilt und optisch passend angeordnet. Gleichzeitig läuft Musik von Jason Derulo, Olly Murs und Sasha. Über Strickleitern begeben sich vier Mitarbeiter der Produktion an die Hallendecke über der Bühne, um dort später sogenannte Spots zu bedienen. Das Tragen von Windeln oder das Vorhandensein starker Blasen sind für so eine Tätigkeit vermutlich obligatorisch.
Es ist kurz nach halb sieben, als der Warm-Upper loslegt. Er begrüßt das Publikum, bringt es in Schwung und übt mit ihm fleißig das Beifallklatschen. Der Applaus wird teilweise schon mitgeschnitten, um ihn später, in der Nachbearbeitung an geeigneter Stelle einsetzen zu können – ein übliches Vorgehen.
Der Aufwärmer verrät auch, wer eigentlich die Stargäste des Abends sind. Es handelt sich um – Überraschung – Jason Derulo, Olly Murs und Sasha. Bald darauf erscheint Moderatorin Jeannine Michaelsen und spricht ein paar Worte zu den Besuchern. Natürlich muss nochmal geklatscht werden, um ja nicht aus der Übung zu kommen.
Die eigentliche Aufzeichnung beginnt um 19 Uhr 10. Das Publikum zeigt nach dem Aufwärmen noch keine Ermüdungserscheinungen. Die Stimmung bleibt bis zum Ende gut und das Geklatsche kraftvoll, erinnert aber manchmal auf unangenehme Weise an den ZDF-Fernsehgarten.
Die Stars auf der Couch sind von den Interpretationen ihrer eigenen Hits schon überrascht und zeigen sich von den Leistungen der Kandidaten auf der Bühne durchaus begeistert. Derulo und Murs begeben sich jeweils sogar selber spontan nach vorne, um kurz gemeinsam mit dem Nachwuchs aufzutreten. Die Kommentare der Berühmtheiten fallen durchweg positiv formuliert und ermutigend aus. Bewertungen, wie man sie vom Kollegen Bohlen kennt, hört man hier nicht mal ansatzweise. Sie wären auch gar nicht gerechtfertigt. Im familienfreundlichen ProSieben-Programm ist dafür ohnehin kein Platz.
Nur wenn es um die Entscheidung geht, wer ins Finale kommt, bleibt jemand auf der Strecke und kommt man zwangsläufig um eine Enttäuschung nicht herum. Aber selbst für die Unterlegenen gibt’s nochmal einen kräftigen Applaus.
Wer genau was singt und wer am Ende den Gewinn in Höhe von 25000 Euro mit nach Hause nehmen darf, soll hier übrigens nicht verraten werden.
In den Unterbrechungen für die Werbepausen wird die Schminke der Sofabesetzer kontrolliert; selbige verschwinden auch schon mal für kurze Zeit. Sasha lässt die Leute in der ersten Reihe mal in den Behälter mit den Süßigkeiten greifen. Der Einheizer meldet sich nochmal, zum Beispiel weil jemand sein Kraftfahrzeug entfernen soll.
Während der Pausen wird auch Material für Einspieler und Programmvorschauen aufgenommen, sogar von den drei Herren Musiker. Das klappt selbst bei Unterhaltungsexperten nicht immer auf Anhieb. Jeder, der schon mal eine Anrufbeantworteransage eingesprochen hat, kennt das.
Die Verschnaufpausen dauern nicht länger als unbedingt nötig. Irgendwann möchten ja auch die Fernsehleute mal Feierabend machen. Auch bei Versprechern von Michaelsen wird einfach weitergedreht. Zu perfekt soll das alles nicht aussehen, vielleicht sogar zumindest ein bisschen der Eindruck einer Livesendung, in der man nichts herausschneiden kann, entstehen. Außerdem würde das Publikum irgendwann mal die Geduld verlieren, wenn ständig neu angesetzt werden müsste. Abgesehen davon halten es nicht alle stundenlang ohne Nahrung, Zigaretten und Toilettengänge aus. So wenige wie möglich sollen rausgehen, um Unruhe, leere Plätze und Verzögerungen, die bei den Aktivitäten derart vieler Menschen zwangsläufig entstehen, zu vermeiden.
So macht das alles einen recht ehrlichen Eindruck. Nur die Sache mit den Schildern, die man an vermeintliche Sasha-Fans verteilt, damit diese die Pappe mit Zuneigungsbekundungen in die Kamera halten, ist fingiert.
Vor der finalen Abstimmung des Publikums singt Olly Murs selber noch ein Lied, um ein wenig Werbung für sein neues Album zu machen. Die Musik kommt bei ihm im Gegensatz zu der von den Kandidaten vom Band.
Um 22 Uhr 15 ist der ganze Spaß vorbei. Aus dem, was bis dahin alles aufgezeichnet wurde, muss nun jemand eine ausstrahlbare Sendung der Bruttolänge von 105 Minuten anfertigen.
Jason Derulo, Olly Murs, Sasha und Jeannine Michaelsen lassen noch ein paar Fotos mit sich machen. Die Kameras werden abgebaut. Die Leute bei den Spots dürfen wieder herunterkommen. Die Menschen aus dem Publikum bekommen im Foyer ihre Jacken und Taschen zurück und begeben sich auf den Weg nach Hause oder ins Hotel. Gute Nacht.
ProSieben strahlt My Hit. Your Song. am 17., 24. und 31. Januar jeweils ab 20 Uhr 15 aus. Den COVER.INFO-Vertreter in der ersten Ausgabe erkennt ihr zum Beispiel am grünen Pullover.
/MBU
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