Freitag, 14. April 2006

Hinter den Kulissen unserer Redaktion: Von seltsamen Einsendern

Uns erreichen täglich Zuschriften von Besuchern unserer Homepage – mal mehr, mal weniger. Warum es mal mehr und mal weniger sind, die an einem Tag eintreffen, wird dieser Artikel deutlich machen. Aber auch sonst soll dieser Artikel mal einen kleinen Einblick hinter die Kulissen der Redaktion, genauer gesagt in unsere Mailbox, geben. Da gibt es nämlich gelegentlich ungewöhnliche Zuschriften von noch ungewöhnlicheren Leuten. Vielleicht werden sich einige unserer Pappenheimer in diesem Artikel wiedererkennen. Allzu schwer dürfte das nicht sein, auch wenn wir die Namen abkürzen. Wir wünschen jedenfalls viel Spaß beim Lesen dieses Berichts.
 
Zuschriften erreichen uns zu den verschiedensten Tageszeiten, entweder per E-Mail oder über unser Kontaktformular. Aus jeder Einsendung, die dort gemacht wird, wird eine E-Mail erstellt und an die E-Mailbox geschickt, in der auch die sonstigen Mails an die Kontaktadresse der Redaktion, die z. B. im Impressum zu finden ist, ankommen. All dies landet also in einer zentralen Mailbox, die wir Zentrale nennen und auf die jeder Redakteur Zugriff hat. Wer gerade Zeit und Lust hat – schließlich haben wir es bei coverinfo.de mit einem Freizeitprojekt zu tun – verschiebt also Mails aus der Zentrale in seinen eigenen Ordner und bearbeitet sie.
 
Der eine oder andere wird vielleicht gemerkt haben, dass eine E-Mail bei uns mal nach wenigen Minuten, meist innerhalb weniger Tage, manchmal auch innerhalb weniger Wochen bearbeitet wird, und mancher wundert sich vielleicht, warum die Bearbeitung seiner Mails manchmal Monate auf sich warten lässt. Die unterschiedlichen Bearbeitungszeiten hängen natürlich zum einen davon ab, ob, wenn eine Mail eingeht, gerade ein Redakteur online ist, der Zeit hat. Zum anderen hängt das davon ab, wie groß der Bearbeitungsaufwand einer Mail ist. Eine kleine Jahreszahlkorrektur z. B., die mit drei zuverlässig wirkenden Quellen belegt ist, kann daher manchmal schon nach fünf Minuten durchgeführt sein. Eine Mail ohne Quellenangaben ist da in der Regel schwieriger zu bearbeiten, so dass wir uns nicht gleich auf sie stürzen, insbesondere nicht, wenn es sich um einen Neueintrag handelt. Denn bei uns hat zunächst die Bearbeitung von Korrekturen Priorität, weil wir eine möglichst fehlerarme Datenbank haben möchten. Wenn aber alle Korrekturen und mit Quellen belegten Mails bearbeitet sind, also auch zwischenzeitlich keine neuen solchen Mails hereingekommen sind, machen wir uns dann schließlich auch an die ungeliebten Mails ran ...
 
Natürlich hängt die Bearbeitungszeit von Mails auch davon ab, wie viele Mails in einem bestimmten Zeitraum gerade eintreffen. Es gibt Tage, an denen zehn Zuschriften kommen, aber auch solche, an denen viele Dutzend Zuschriften kommen. Wenn so viele Mails kommen, dann stammt meist ein Großteil von denen von derselben Person. Es gibt nämlich Besucher, die sich alle paar Tage oder Wochen wieder einmal Zeit für die Suche nach Cover-Versionen nehmen und uns dann mit einer regelrechten Lawine von Mails beglücken. Bei manchen dieser Einsendungen ist man dann sehr froh, weil sie gut mit Quellen belegt sind, sich sehr leicht nachvollziehen und schnell abarbeiten lassen. Aber es gibt leider auch Leute, die sich einen Song oder einen Interpreten vornehmen und dann im Ein- bis Zwei-Minuten-Takt Cover-Versionen-Einsendungen machen und die diese geringe Taktfolge dadurch erreichen, dass sie auf Quellenangaben gänzlich verzichten. Einer dieser Leute ist Ulrich B. Sein Rekord liegt bei 124 Mails an einem einzigen Nachmittag. Nur ein Bruchteil der Mails, die dieser Herr schickt, ist aber brauchbar. Manche der Einsendungen lassen sich nicht überprüfen. Und dass man nicht dennoch auf die Richtigkeit der Angaben vertrauen kann, erkennt man daran, dass sich bei unseren Recherchen auch manche der Einsendungen als falsch herausstellten. Ein weit verbreiteter Irrtum scheint zu sein, dass, nur weil zwei Interpreten einen Song mit dem gleichen Titel veröffentlicht haben, das zwangsläufig der gleiche Song, also mit der gleichen Melodie, sein muss. Anfangs haben wir uns ja noch die Mühe gemacht, Herrn B. nach der Quelle einer Information zu fragen, die wir nicht nachvollziehen konnten. Doch wir bekamen fast nie eine Antwort. Die Kommunikation mit Herrn B. war also unidirektional. Es gab dann aber auch einmal Tage, an denen sich Herr B., nachdem er sich am Vortag die Mühe gemacht hatte, Dutzende Einsendungen bei uns zu machen, die Zeit nahm, auch unsere Rückfragen zu beantworten. Wir erhielten dann patzig formulierte Antworten, aus denen auch nur die Hälfte von dem hervorging, was wir eigentlich wissen wollten. Auf jeden Fall verstanden wir die Mails so, als sollten wir ihn doch bitte mit solch lästigen Mails verschonen, die sein Postfach vollmüllen. Danach war monatelang nichts mehr von Ulrich B. zu hören, bis es jeweils im Abstand einiger Wochen oder Monate dann erneute Mail-Lawinen gab. Die Mails von Ulrich B. zählen zu denen, die oft monatelang bei uns liegen bleiben, bevor sie sich überhaupt ein Redakteur auch nur ansieht. Das liegt daran, dass es nicht immer leicht ist, die Informationen nachzuvollziehen und dass Rückfragen bei diesem Herrn ziemlich aussichtslos sind.
 
Vielleicht mag es manchmal gar nicht so leicht zu sein, seine Informationen mit Quellen zu belegen. Zum Glück aber gibt es Wikipedia. Da kann ja jedermann Artikel schreiben und abändern. Und wenn einem eine Quelle dafür fehlt, dass ein Song nicht erst 1964, sondern schon 1962 veröffentlicht wurde, weil man sich sicher ist, dass man den Song damals im August 1962 auf der alljährlichen Sommerparty des Nachbarn gehört hat und dass das nicht erst auf der Party von 1964 war, dann kann man ja bei Wikipedia die Bearbeiten-Funktion nutzen, aus der Jahreszahl "1964" "1962" machen und uns dann den eigenhändig veränderten Wikipedia-Artikel als Quelle benennen. Auf diese Weise macht das zum Beispiel Stephan K. aus Belgien, und zwar seit er feststellen musste, dass seine vorige Methode, Veröffentlichungsjahre zu beweisen, bei uns nichts bewirkte: Er schickte Scans von Schallplatten oder ihren Hüllen, auf die mit Bleistift eine Jahreszahl geschrieben worden war. Vermutlich hat er die Jahreszahlen selbst da hingeschrieben, was für ihn Beweis genug wäre, weil er sich für allwissend hält. Wenn er eine Information hat, dann ist die richtig. Zumindest in seinen Augen. Dass man ihm dann sieben Quellen aus dem Web nennen kann, die etwas anderes sagen, lässt ihn daran nicht zweifeln. Die irren sich alle, heißt es dann. Wir ziehen es vor, denjenigen Quellen zu glauben, die uns am zuverlässigsten erscheinen. Das sind dann meistens nicht die, denen Herr K. vertraut, er glaubt z. B. natürlich lieber Forum-Postings seiner Freunde. Oder stammen die etwa sogar von ihm selbst? Wie dem auch sei, jedenfalls stellt Herr K. dann nach einigen Tagen fest, dass ja immer noch die in seinen Augen falsche Information in der Datenbank steht. Dann schickt er die Korrektur mit der fragwürdigen (oder auch ganz ohne) Quellenangabe einfach noch mal. Und noch mal und noch mal, bis man ihm unmissverständlich zu erkennen gibt, dass man nicht gewillt ist, den Datensatz abzuändern. Dann kommt es schon mal vor, dass er beleidigt ist und uns antwortet, dass er es mit uns satt habe. Aber nach ein paar Tagen ist der Ärger dann wieder verflogen und er stellt neue Recherchen an. So schreibt er dann beispielsweise, um sich ein Veröffentlichungsjahr bestätigen zu lassen, den Fanclub des entsprechenden Künstlers an, redet die Damen und Herren dort mit dem Namen des Künstlers an und gibt sich in diesem Zusammenhang als Mitarbeiter einer Website namens "disCOVERtheoriginal (discoverinfo.de)" aus. Wir wissen das daher, weil er uns eine Kopie dieser Mail zukommen ließ, zusammen mit ein paar anderen Mails, die denselben Fall betrafen, was dazu führt, dass man bei Einsendungen des Herrn K. zu allererst einmal damit beschäftigt ist, herauszufinden, in wie viele Einzelmails er seine Korrektureinsendung überhaupt aufgeteilt hat.
 
Auch eine Möglichkeit, um Quellenangaben bieten zu können, falls man einmal mit uns in Kontakt treten möchte, ist das Unterhalten einer eigenen Homepage. Da kann man ja die gewünschte Information veröffentlichen und das dann als Quelle angeben. So hat es Hans H. gemacht. Wenn seine Website sich jedoch als die einzige Quelle für eine Information herausstellt, scheuen wir nicht, gewisse Zweifel zu äußern und nachzufragen, woher er diese Information hat. Schließlich ist ja unsere Datenbank für alle Nutzer nur etwas wert, wenn sie sorgfältig recherchierte Informationen enthält. Als Antwort auf eine solche Rückfrage hat Hans H. dann einmal unter anderem darauf verwiesen, dass seine Homepage "die zuverlässigste Quelle überhaupt" sei. Eine der Korrektureinsendungen von Hans H. begann mit den Worten: "Was soll denn dieser Blödsinn?" Trotz der frechen Anrede, und nur weil wir bemüht sind, so viele Fehler wie möglich aus der Datenbank zu eliminieren, sind wir der Sache nachgegangen. Unser Datensatz stellte sich als korrekt heraus, was wir H. mitteilten. Der verwies darauf, dass die Einsendung nicht von ihm gewesen sei, dass aus seiner Homepage außerdem hervorgehe, dass unser Eintrag korrekt ist und dass sein Computer nicht nur von ihm benutzt werde und wir es "irgendwie [...] fertiggebracht" hätten, einen Cookie mit seinen Absenderinformationen auf seinem Computer zu setzen (was stimmt), der nicht wegzubekommen sei, auch wenn man alle Cookies lösche (was natürlich nicht stimmt). Später stellte sich übrigens die eine oder andere Information auf der Homepage des Herrn H. als falsch heraus, was wir ihm mitteilten. Wir schrieben ihm auch, dass wir seine Homepage, weil sie teilweise nachweislich falsche Informationen enthält, nun keinesfalls mehr als alleinige Informationsquelle benutzen können. Seitdem haben wir nichts mehr von Hans H. gehört.
 
Eines Tages erreichte uns bezüglich unseres Eintrages zu 2 Young – "Crimson And Clover" eine Einsendung von einem gewissen Herrn Marcus B. Er schrieb, er wolle "folgendes loswerden. ... die Cover-Version von "Crimson & Clover" ist von mir geschrieben. Es sind sogar Textauszüge aus meiner Version vollständig übernommen worden. Und nur weil ich damals keine Chance hatte gegen das Sing Sing Label bzw. BMG zu klagen, heißt das nicht, daß ich jemals vergessen werde, was mir angetan wurde." Tatsächlich enthält die Cover-Version von 2 Young Rap-Parts mit Textpassagen, die in der Original-Version nicht auftauchen. An der Sache hätte also durchaus etwas dran sein können, so dass man dann Marcus B. als einen Textdichter der Cover-Version hätte in der Datenbank nennen können. Es lohnte sich also, hier etwas nachzuforschen. Im Internet war dazu natürlich nichts zu finden. Wir wandten uns daher an BMG und an EMI Music Publishing, die inzwischen Inhaberin der Rechte an dem Song ist. Den beiden Plattenfirmen war natürlich nach eigenen Auskünften nichts über eine Urheberschaft des Herrn B. an dem Text der Cover-Version bekannt. Ihnen war aber nicht einmal der Name Marcus B. bekannt. Es scheint also, als hätte sich dieser Mann nie an BMG gewandt! Scheinbar wollte er nur mit einer ausgedachten Geschichte Furore machen oder testen, wie leicht sich eine Fehlinformation in unsere Datenbank einschleicht. Aus seiner Mail an uns ging jedoch nicht hervor, dass wir unseren Datenbankeintrag abändern sollten. Vielmehr schrieb er, dass er davon ausgehe, dass ihm "in dieser Sache kein Glauben geschenkt" werde. Wir antworteten ihm, dass wir nicht so recht wüssten, was wir mit seiner Einsendung anfangen sollten und nannten ihm die zuständige Ansprechpartnerin im Hause der EMI Music Publishing, an die er sich in diesem Fall wenden könnte. Wir haben aber nie eine Rückantwort von Herrn B. bekommen. Angemerkt sei an dieser Stelle noch, dass die besagte Ansprechpartnerin bei EMI Music Publishing uns verbieten wollte, Marcus B. als Urheber in unserer Datenbank zu nennen, falls unsere Recherchen ergäben, dass er der Urheber sei. Wir dürften nur solche Leute als Urheber nennen, die von den Plattenfirmen als Urheber bezeichnet und daher in der GEMA-Datenbank verzeichnet sind. Das ist natürlich – insbesondere rechtlich betrachtet – völliger Unsinn, weil Urheberrechte in Deutschland kraft Gesetzes entstehen und nicht durch einen Eintrag in der GEMA-Datenbank. Urheber wird man dadurch, dass man einen Text schreibt, und nicht dadurch, dass irgendjemand in eine Datenbank schreibt, dass man Urheber sei. Ist man im Gegenteil nicht Urheber, wird man es selbstverständlich auch nicht dadurch, dass in einer Datenbank etwas anderes steht. Und die Musikgeschichte lehrt, dass Plattenfirmen oft Urheber bei den Verwertungsgesellschaften eintragen lassen, die gar keine Urheber sind. Dadurch wird nämlich das Geldkassieren erleichtert, denn die Verwertungsgesellschaften zahlen Tantiemen an diejenigen, die als Urheber eingetragen sind. Will also eine Plattenfirma die Lohnzuschüsse für ihre Putzfrau nicht selbst überweisen müssen, lässt sie sie einfach als Urheber eines Songs in die GEMA-Datenbank eintragen. Dann erhält sie direkt Geld von der GEMA.
 
Wir hoffen, dass dieser Artikel lesenswert war und dass er euch verständlich gemacht hat, warum wir bei euren Einsendungen manchmal so intensiv nach Quellenangaben fragen und grundsätzlich alles, was sich nicht belegen lässt, anzweifeln. Wir wollen nicht grundsätzlich jedem unserer Einsender misstrauen, aber Erlebnisse wie die eben geschilderten machen deutlich, dass man nicht alles und nicht jedem glauben darf. Und wenn ihr Misstrauen bezüglich einer Information auf unserer Website habt, forscht ruhig nach. Auch wir sind nicht perfekt. Wenn ihr einen Fehler findet, teilt ihn uns dann bitte auch mit – mit Quellenangaben natürlich, aber das versteht sich ja jetzt von selbst.
 
Thomas Wagner