Freitag, 15. Februar 2019

"I'm So Lonesome I Could Cry" – die Geschichte einer Legende

Elvis Presley hat es einmal das traurigste Lied genannt, das er kennen würde. Hank Williams war sicher kein glücklicher Mensch, als er dieses Lied geschrieben und am 30. August 1949 in Cincinnati aufgenommen hat. Er gilt bis heute als einer der größten, wenn nicht sogar der absolut größte Sänger der Country-Szene und seine Lieder werden bis heute von unzähligen Interpreten gecovert.

Er wurde nur 29 Jahre alt, hatte 35 Singles in den Top 10 der Country & Western Best Seller Charts, davon 11 sogar auf Platz 1. Wenn er auch ein genialer Musiker war, war er doch zeitlebens kein sehr glücklicher Mensch. Aus ganz einfachen Verhältnissen stammend und seit Geburt durch eine Fehlbildung an der Wirbelsäule (Spina bifida) gehandicapt, hatte er immer das Gefühl von der Welt abgelöst und anders als die Menschen um ihn herum zu sein.

Die Welt, in der er sich zu Hause fühlte, war die der Musik, die Musik, die aus dem Radio kam und die er in der Kirche hörte. Mit acht Jahren begann er Gitarre zu spielen und trat mit 13 zum ersten Mal im Radio auf. Das Gitarrenspiel, das er bald perfekt beherrschte, hatte er von dem Straßenmusiker Rufus "Tee-Tot" Payne gelernt, den er in Georgina, Alabama kennengelernt hatte, wohin die Familie inzwischen gezogen war. Hank hat ihn später als seinen einzigen Lehrer bezeichnet.

Ein Jahr später trat er in Talentshows auf und hatte bereits seine eigene Band – die Drifting Cowboys. Für seine Musikerkarriere verließ er 1939 die Schule ohne Abschluss und begann für den lokalen Radiosender WSFA zu arbeiten. Bald hatte er dort eine eigene Sendung, die zweimal wöchentlich je 15 Minuten dauerte. Aber schon damals trank er und erschien oft zu den Sendeterminen volltrunken, weshalb ihm der Sender im August 1942 kündigte.

Seine Mutter unterstützte seine musikalische Karriere mit allen Kräften, fuhr ihn mit seiner Band zu Shows in ganz Alabama, wodurch er dann auch die Musikszene in Nashville auf sich aufmerksam machte. Aber seine ständigen Rückenschmerzen ließen ihn massenhaft zu Tabletten und schließlich zum Alkohol greifen, was seinem Ruf als Musiker nicht gerade zuträglich war und weshalb er bald überall als nicht sehr zuverlässig galt.
Sein Leben bekam eine entscheidende Wendung, als er 1943 Audrey Mae Sheppard kennenlernte, frisch geschieden und Mutter einer kleinen Tochter. Er brachte ihr das Bassspielen bei und nahm sie in seine Band auf. Sie heirateten 1944 und am 26. Mai 1949 kam ihr gemeinsamer Sohn, Hank Williams Jr. auf die Welt. In der Ehe kriselte es aber immer wieder, da Audreys Verhältnis zu Hanks Mutter nicht unkompliziert war. Es scheint so, als wenn beide Frauen oft Rivalen im Kampf um Hanks Zeit und Aufmerksamkeit waren.

1946 traf Williams in Nashville den Musikverleger Fred Rose, der mit seiner Acuff-Rose Company Country- und Western-Songs herausbrachte. Williams begann Songs für die Sängerin Molly O'Day zu schreiben, später daraus wurde ein Vertrag mit Sterling Music und danach mit dem gerade gegründeten MGM Label. 1947 hatte er seinen ersten Top-10 Hit "Move Over", der es bis auf Platz 4 in den Charts schaffte. Wenn auch der zweite Hit "Honky Tonkin" im Jahr 1948 nur auf Platz 14 kam, begann in diesem Jahr für Hank eine atemberaubende Musikerkarriere.

Der Erfolg bekam ihm selbst aber nicht gut. Sein Drogen- und Alkoholkonsum stieg und er trat oftmals betrunken in Shows auf. Trotz etlicher Auseinandersetzungen mit Hank hielt Fred Rose zu ihm und ermöglichte ihm den Auftritt als Stammgast in der „Lousiana Hayride“, einer Samstagnachtsendung, die ein Radiosender in Shreveport regelmäßig veranstaltete.

Die Radioauftritte erhöhten Hanks Bekanntheitsgrad erheblich und 1949 hatte er mit "Lovesick Blues" endlich seinen ersten Nummer-1-Hit in den Country & Western Charts. Damit beschleunigte sich das Erfolgskarussell erheblich, Ruhm und Geld bescherten ihm eine Freiheit, die sich der einfache Junge vom Land nie hatte vorstellen können. In den nächsten Jahren schrieb er große Hits, wie "Cold, Cold Heart", "Your Cheatin' Heart", "Hey Good Lookin'" oder "Lost Highway". In dieser Zeit begann er auch unter dem Pseudonym "Luke the Drifter" religiöse Lieder zu verfassen.

Mit dem Erfolg verstärkten sich aber auch seine Selbstzweifel, seine innere Zerrissenheit und leider auch seine Abhängigkeit von Morphium und Alkohol. Die nahm noch zu, als Anfang 1952 seine Ehe mit Audrey scheiterte. Er heiratete noch im Oktober des gleichen Jahres Billie Jean Jones Eshlimar und machte aus der Hochzeit ein riesiges Spektakel. Sein Gesundheitszustand und aber auch sein Aussehen verschlechterten sich in dieser Zeit rapide. Er verlor viele Haare und nahm etwa 30 Kilo zu.

Am 30. Dezember 1952 brach er vor einem Konzert in einem Hotelzimmer in Knoxville, Tennessee zusammen. Der Arzt, der ihn daraufhin untersuchte, hatte keine großen Bedenken und gestattete ihm die Reise zum geplanten Neujahrskonzert in Canton, Ohio. Da das Wetter keinen Flug zuließ, heuerte er den Studenten Charles Carr an, der ihm mit Hanks blauem Cadillac nach Canton fahren sollte. In der Nähe von Oak Hill, West Virginia, wurde Carr an einer Polizeikontrolle angehalten und man fand Hank leblos auf dem Rücksitz des Wagens. Die Todesursache war ein Herzinfarkt, ausgelöst wohl durch den übermäßigen Alkoholkonsum zusammen mit den eingenommenen Tabletten.

Sein früher Tod verstärkte eher noch den Hype um seine Musik und machte ihn zur Legende. Eine ganze Reihe seiner in die Charts aufgestiegenen Singles wurden erst nach seinem Tod veröffentlicht. Sein großes Vorbild Roy Acuff soll einmal zu ihm gesagt haben: "Junge, Deine Stimme ist Millionen wert, aber Verstand hast Du nicht für 10 Cent!" Diese Millionen war auch noch sein Erbe wert, aber auch sein Musiktalent hat sich weiter vererbt. Sein Sohn Hank Williams Jr. wurde ein sehr bekannter Country-Musiker und auch dessen Kinder Hank Williams III und Holy Williams arbeiten als Musiker.

Seine immer vorhandene innere Traurigkeit spiegelt der Song "I'm So Lonesome I Could Cry" wohl am besten wider. Als B-Seite seines Hits "My Bucket's Got A Hole In It" im November 1949 veröffentlicht, war dem Song kein Charterfolg beschieden, aber es wurde dennoch eines seiner bekanntesten Lieder. Für mich spiegelt darin die Seele dieses genialen Musikers, der Zeit seines Lebens trotz allen Erfolges ein tieftrauriger Mann war.
/AME