Freitag, 4. März 2005

Plagiatsprozeß um "Still Got The Blues" von Gary Moore

Der Welthit "Still Got The Blues" von Gary Moore aus dem Jahre 1990 ist offenbar ein Plagiat. Es gibt deutliche Parallelen zu der Passage ab 8:15 Minuten in dem Stück "Nordrach" von Jud's Gallery. Jürgen Winter hat dieses Stück geschrieben, er war Mitglied dieser inzwischen aufgelösten Band. Am 29.03.1974 wurde dieses Stück in den Rundfunkstudios des damaligen Südwestfunks (SWF) aufgenommen und anschließend auch im Radio gespielt. Auf Tonträger veröffentlicht wurde das Stück jedoch erst im Jahr 2000.

In jenem Jahr, zehn Jahre nach Erscheinen des Hits von Gary Moore, sollen Winters Lebenspartnerin die Parallelen zwischen den Songs aufgefallen sein. Winter strengte deshalb noch im selben Jahr einen Prozeß gegen die Virgin Schallplatten GmbH an. Urheberrechtsverletzung lautet der Vorwurf.

Im Jahr 2001 wird das Verfahren vor dem Landgericht I in München eröffnet. Seitdem zieht sich die Sache hin.

Ein gerichtlich bestellter Gutachter kommt zu dem Ergebnis: "Die Wahrscheinlichkeit, dass ein so hoher Übereinstimmungsgrad zwischen zwei Melodien auf Zufall beruht, muss als sehr gering eingeschätzt werden." Virgin stellt sich auf den offenbar nicht weiter nachgewiesenen Standpunkt, die Melodie sei musikalisches Allgemeingut, da sie schon oft in der Musikgeschichte vorgekommen sei.

Am 02.03.2005 erging vor dem Landgericht der Beschluß, daß es die begründete Vermutung gebe, daß ein Teil von "Still Got The Blues" in Anlehnung an das Stück "Nordrach" entstanden sei. Daher müsse die beklagte Partei nun nachweisen, daß der Urheber Gary Moore keine Gelegenheit hatte, das Stück "Nordrach" zu hören. Gelingt dieser Nachweis nicht, wird das Gericht in einem Urteil voraussichtlich zu dem Ergebnis kommen, daß eine Urheberrechtsverletzung vorliegt.



Quellen:
http://www.juds-gallery.com/
mz-web.de

Thomas Wagner

Buchbesprechung: Aspekte zum Cover-Versionen-Phänomen

Mit "Von der Coverversion zum Hit-Recycling" von Marc Pendzich liegt erstmals ein Buch vor, das sich ausführlich dem Thema Cover-Version widmet.

In dem Buch wird auf rechtliche, historische und wirtschaftliche Aspekte eingegangen. Zu erwähnen ist da zum Beispiel der Unterschied zwischen dem US-amerikanischen Copyright und dem deutschen Urheberrecht, der im wesentlichen darin besteht, daß, während in Deutschland der Schöpfer eines Werkes kraft Gesetzes mit seiner Person verbundene Rechte an dem Werk erwirbt, in den USA ein Copyright erst durch eine Anmeldung des Werkes erfolgt. Das Copyright ist veräußerlich; es diente ursprünglich der Sicherung des Geldgebers, der ein Kunstwerk vermarkten wollte.

Das Phänomen der Cover-Version entstand in den 1950er Jahren. Zwar gab es schon vorher Songs in den verschiedensten Interpretationen, doch in einem Zeitalter der Entwicklung der Tonträgertechnik fing man langsam an, Songs mit einer bestimmten Aufnahme durch einen bestimmten Interpreten zu verbinden: Das war dann die Original-Version. Wurde diese von anderen Künstlern nachgesungen, so hatte man es mit einer Cover-Version zu tun, die aber damals selten so bezeichnet wurde. Der Begriff stammt ursprünglich wohl aus der Musikbranche: In den 50er Jahren begann man in den USA damit, momentan erfolgreiche Songs in anderen Musikstilen zu veröffentlichen, um den Markt abzudecken (englisch: "to cover"), um auch Liebhaber anderer Musikstile als Käufer zu gewinnen. Auch Rassismus spielte hier eine Rolle: Da kaum Weiße eine Aufnahme eines schwarzen Künstlers kaufen wollten, half es hier, den Song durch einen Weißen neu aufnehmen zu lassen, denn dann wurde er besser verkauft. Die Cover-Version diente also den Plattenfirmen zur Abschöpfung des Musikmarktes. Den Songschreibern konnte dies egal sein: Egal, wer ihren Song interpretierte – sie verdienten in jedem Fall daran.
Cover-Versionen können auch dazu dienen, Songs Hörern aus einem anderen Sprachraum zugänglich zu machen, indem man den Songs einen anderssprachigen Text verpaßt. Im Schlagerbereich ist dies vielfach geschehen.

Die Cover-Flut der 50er Jahre ebbte aber ab, in den 70er Jahren gab es wenige bedeutende Cover-Versionen. Im Zeitalter des Punk-Rocks kam es jedoch zu sogenannten destruktiven Cover-Versionen: Songs wurden parodiert, um politische Aussagen zu machen. Daneben kam es vermehrt zu Adaptationen von klassischer Musik. Berühmt sind in diesem Zusammenhang Stücke wie "Song Of Joy" von Miguel Rios oder "A Fifth Of Beethoven" von Walter Murphy. In die Kritik geraten sind solche modernen Versionen, weil ihnen vorgeworfen wird, daß sie eine Entstellung der ursprünglichen Werke darstellten.

Während in den 50er und 60er Jahren Cover-Versionen üblich waren, ging ihr Anteil anschließend zurück, und sie waren in den 70er und 80er Jahren als reiner Kommerz verpönt, als der Versuch, mit fremdem Material ohne eigene Inspirationen Geld verdienen zu wollen. In den 90er Jahren wurden jedoch "recyclinglastige" Musikstile populär: Hip Hop und Fun Techno. Hier wurde oft gecovert und gesampelt. Die Medien, insbesondere Jugendmusikzeitschriften wie die BRAVO und -fernsehsender wie MTV und VIVA, wiesen die Jugendlichen durchaus ab und zu auf die Herkunft des kompositorischen Materials hin, so daß der aufmerksame Musikkonsument wissen konnte, daß die Hits, die er von den Medien präsentiert bekam, oftmals schon einmal dagewesen waren. Cover-Versionen wurden von den Jugendmedien aber als etwas ganz Gewöhnliches dargestellt, so daß die Cover-Version ihren schlechten Ruf, den sie noch bis Ende der 80er Jahre hatte, weitgehend verlor. Eine Cover-Version hat für die Musikindustrie viele Vorteile: Zum Beispiel haben die Songs bei Musikredaktionen von Sendern den Vorteil, einen Bekanntheitsbonus zu besitzen, so daß sie deshalb vielleicht eher in die Rotation gelangen. Ältere Hörer erinnern sich an gute alte Zeiten, aus denen sie den Song kennen, und fühlen sich deshalb nicht abgeneigt, eine Version dieses Songs zu kaufen. Und die Jugend bekommt etwas ihr Neues präsentiert – sie kannte ja die Original-Version nicht. Ein Rückgang der neuen Cover-Flut, die in den 90ern begonnen hat, ist bislang nicht abzusehen.

Neben diesen historischen Aspekten schreibt Pendzich auch über den musikökonomischen Bereich. So ist die aktuelle Krise der deutschen Musikindustrie seiner Meinung nach auf viele verschiedene Faktoren zurückzuführen, jedoch nicht in dem Maße auf Raubkopien durch CD-Brennen und Internettauschbörsen, wie dies von der Musikbranche dargestellt wird. Die Umsatzeinbußen lägen auch an fehlender emotionaler Bindung des Hörers zu den Künstlern; es finde kaum mehr ein Künstleraufbau statt, das heißt, es gebe kaum noch große Stars, statt dessen zu viele Eintagsfliegen, die nach wenigen Hits und ein bis zwei Alben wieder vom Markt verschwunden sind.

In Kapiteln über juristische Aspekte der Cover-Version wird geklärt, welche Voraussetzungen das deutsche Urheberrecht an eine Cover-Version knüpft. Außerdem wird gezeigt, daß die Rechtswirklichkeit oft anders aussieht: Beispielsweise werden für genehmigungspflichtige Bearbeitungen oft keine Genehmigungen eingeholt, statt dessen verzichtet der Bearbeiter auf die Teile der Tantiemen, die ihm durch die Bearbeitung bei erfolgter Genehmigung zustehen würden. Die Plattenfirmen verdienen dennoch ausreichend an diesen Versionen. Oftmals lassen sich auch Beteiligte als Urheber eintragen, die gar nicht Urheber sind, die die Melodie beispielsweise Volksliedern entnommen haben oder sie Musikern aus der Dritten Welt gestohlen haben, von denen sie relativ sicher sein können, daß diese nicht in der Lage sein werden, die Verletzung ihrer Rechte gerichtlich geltend zu machen.

Ausführliches zu diesen und vielen anderen Aspekten des Phänomens Cover-Version und zahlreiche Beispiele aus der Musikgeschichte findet der geneigte Leser in dem besagten Buch:

Marc Pendzich
Von der Coverversion zum Hit-Recycling
Historische, ökonomische und rechtliche Aspekte eines zentralen Phänomens der Pop- und Rockmusik

Reihe: Populäre Musik und Jazz in der Forschung
Band 11, 464 Seiten, mit CD-ROM inklusive Register, Preis: 49,90 EUR, LIT Verlag, ISBN 3-8258-8118-0.

Thomas Wagner