Samstag, 28. Oktober 2006

Rundfunkgebühr für Internet-PCs

Wer in Deutschland Rundfunk empfangen will und hierfür entsprechende Geräte bereithält, muss Rundfunkgebühren entrichten, aus denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu einem Großteil finanziert wird – ein anderer Teil wird z. B. mit nerviger Werbung bestritten. Diese Gebührenpflicht sieht der Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV) vor. Für die Regelung des Rundfunkrechts sind in der Bundesrepublik nämlich die Länder zuständig. Ein solcher Staatsvertrag dient dazu, eine bundeseinheitliche Regelung herbeizuführen, indem sich die Länder darauf einigen, dass in jedem Bundesland das Gleiche gelten soll.

Dieser RGebStV sieht in seiner im Oktober 2004 verkündeten Fassung eine Rundfunkgebührenpflicht für Rechner vor, die Rundfunkprogramme ausschließlich über Angebote aus dem Internet wiedergeben können. Gemäß einer Übergangsregelung sind aber bis 31. Dezember 2006 für solche Rechner keine Gebühren zu entrichten. Bemerkenswert ist, dass nicht schon 2004, sondern erst kürzlich in der Öffentlichkeit eine Diskussion um die Frage entbrannt ist, ob eine solche Gebühr für Internet-PCs sinnvoll und ob sie rechtmäßig ist.

Die Rundfunkgebührenpflicht ist in Deutschland mangelhaft umgesetzt. Wer Rundfunkgeräte bereithält, muss dies bei der zuständigen Landesrundfunkanstalt anzeigen, wobei umstritten ist, ob ein Bereithalten schon gegeben ist, wenn Omas alter Fernseher eingestaubt im Keller in einer Kiste ruht (die Rechtsprechung bejaht dies). Wenn alle Rundfunkgeräte, die der Teilnehmer besitzt, irreparabel ihren Geist aufgegeben haben und nicht durch neue ersetzt wurden, muss und sollte der Teilnehmer auch das anzeigen. Denn erst durch die Abmeldung aller Geräte endet die Gebührenpflicht. Wer seine Geräte nicht anmeldet und sie trotzdem "bereithält", ist zwar theoretisch trotzdem gebührenpflichtig und begeht eine Ordnungswidrigkeit, kommt praktisch aber kostenlos an seinen gewünschten Rundfunkempfang. Übrigens ist das Ganze nicht mit einem Bußgeld "von 1000 Euro" bewehrt, wie die GEZ zu Zwecken der Einschüchterung auf ihrer Website behauptet, sondern mit einer Geldbuße von "höchstens eintausend Euro" (das ergibt sich aus §§ 9 II RGebStV, 17 I OWiG (Ordnungswidrigkeitengesetz)). Hier handelt es sich um eines der vielen Beispiele, die zeigen, dass die GEZ, die sich als Verwaltungsbehörde versteht, sich entgegen Art. 20 III Grundgesetz nicht an Gesetz und Recht gebunden fühlt. Bei der GEZ handelt es sich um die Gebühreneinzugszentrale, die als gemeinsame Einrichtung von ARD, ZDF und Deutschlandradio für die Landesrundfunkanstalten die Einziehung und Verteilung der Rundfunkgebühren übernimmt. Ihr stehen praktisch kaum Möglichkeiten zur Verfügung, Schwarzseher zu identifizieren. Schließlich ist niemand ohne Weiteres verpflichtet, die GEZ-Mitarbeiter zwecks Kontrolle in seine Wohnung zu lassen. Nicht zu Unrecht wird daher diskutiert, ob man nicht eine pauschale Rundfunkabgabe von einem jeden Haushalt fordern sollte. Dadurch würde der Gerechtigkeit besser genüge getan als mit der aktuellen Regelung, weil fast jeder Radio hört, aber momentan bei weitem nicht alle ordnungsgemäß dafür bezahlen.

Wenn übrigens einmal ein solcher GEZ-Mitarbeiter auftaucht, muss man aufpassen, dass man nichts Falsches sagt, was eine Rundfunkgebührenpflicht auslösen könnte. Die Rechtsprechung meint nämlich, die Anmeldung von Rundfunkgeräten sei eine Wissenserklärung und keine Willensklärung und damit nicht wegen Irrtums anfechtbar. Wer z. B. im November 2006 seine Rundfunkgeräte, die er im Monat zuvor gekauft hat, anmelden will und statt "10/2006" durch einen Tippfehler "01/2006" schreibt, muss auch für die Monate Januar bis September zahlen. Würde einem solch ein Tippfehler z. B. bei einer Vertragserklärung passieren – man wollte den Fernseher ab Oktober und nicht ab Januar mieten –, könnte man anfechten und damit die Erklärung beseitigen. (Allerdings muss man Schadensersatz leisten, wenn der andere auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut hat.) Zwar sprechen die besseren Gründe dafür, Wissenserklärungen wie Willenserklärungen zu behandeln, weil die Interessenlage im Falle eines Irrtums in beiden Fällen die gleiche ist, aber die Rechtsprechung ist eben leider GEZ-freundlich.

So ist z. B. das Bundesverfassungsgericht der Meinung, dass auch derjenige, der nur private Sender hört oder sieht, die Rundfunkgebühr entrichten müsse. Ein kostenloser Rundfunkempfang werde nicht grundrechtlich gewährleistet, darum dürfen die Länder den Rundfunkempfang von der Zahlung einer Gebühr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abhängig machen, unabhängig davon, ob man auch solche Sender nutzt oder nicht. Immerhin schaffe ja das Bereithalten eines Rundfunkgerätes die Möglichkeit, solche Sender zu empfangen, und das genüge zur Begründung der Gebührenpflicht.

Die öffentlich-rechtlichen Sender haben nun eine neue Einnahmequelle entdeckt: Schließlich ermöglichen ja auch Internet-PCs einen solchen Rundfunkempfang: Die meisten Sender können nämlich über einen Internet-Livestream emfangen werden. Die Rundfunkanstalten drängen uns Internetnutzern also eine Möglichkeit des Rundfunkempfangs auf, die wir gar nicht haben wollen. Wer der Rundfunkgebührenpflicht entgehen will, muss nicht nur Radio und Fernseher, sondern auch seinen Internetzugang abschaffen. Da im Gegensatz zu einem Radio oder Fernseher ein Internet-PC aber nicht vorrangig dem Rundfunkempfang, sondern tausenden anderen Zwecken dient, erscheint es unverhältnismäßig, für das Bereithalten solcher Geräte eine Gebühr zu fordern. Die Vereinigung der Rundfunkgebührenzahler (VRGZ) hat daher Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht erhoben, weil sie die entsprechende Regelung im RGebStV für verfassungswidrig hält. Es bleibt zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht die Auffassung der VRGZ teilt, denn sonst könnte man die Rundfunkgebührenpflicht in Zukunft noch weiter auf die Spitze treiben: Wenn es genügen soll, dass die Rundfunkanstalten das Internet als Sendeeinrichtung benutzen, um Gebühren für PCs erheben zu dürfen, dann könnte man den RGebStV auch dahingehend ändern, dass jeder, der irgendwo Rundfunk zur Kenntnis nehmen kann, zahlen muss. Dann bräuchten die Radiosender nur noch an jeder Hauptstraße irgendwelche Lautsprecher mit Radioprogramm aufzustellen und schon müsste jeder Passant zahlen. Aufgedrängter Rundfunkempfang darf aber richtigerweise keine Zahlungspflichten auslösen.

Eine weitere Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist: Wie sieht es mit Internet-PCs ohne Lautsprecher aus? Mit denen lässt sich ja nun wahrlich nicht Radio hören. Und wie sieht es aus, wenn man einen Provider wählt, der den Zugriff auf Internetangebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sperrt, so dass man deren Websites gar nicht besuchen kann? Nach Auffassung der GEZ ändert das nichts daran, dass der PC grundsätzlich ein Rundfunkempfangsgerät ist. Daher müsse sogar ein Webhoster zahlen, der Rootserver in seinem Rechenzentrum stehen hat. Eine solche Argumentation ist im Hinblick auf die Grundrechte in der Verfassung nicht haltbar. Man darf also gespannt sein, wie die Rechtsprechung ab 2007 mit Rundfunkgebühren-Zahlungsverweigerern umgehen wird.

Quellen:
- Rundfunkgebührenstaatsvertrag 2005
BVerfG: Verfassungsmäßigkeit von Rundfunkgebühren, Urteil vom 06.09.1999, Az.: 1 BvR 1013/99
- VRGZ-Website (nicht mehr verfügbar, da Vereinigung inzwischen aufgelöst)
GEZ: No-GEZ-Internetzugang zählt nicht
Keine GEZ-Gebühr für Root-Server (missverständliche Artikel-Überschrift)



Nachtrag vom 24.04.2008:
Die Verfassungsbeschwerde gegen die Rundfunkgebühr für Internet-PCs wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Näheres im News-Artikel vom 24.04.2008.

Thomas Wagner