Sonntag, 1. Dezember 2024

Das Telefon in der Popmusik

Darüber sind wir uns wohl alle einig: Das Hauptthema, um das es sich in der Popmusik fast immer dreht, ist die Liebe. In all ihren Ausprägungen – Lust, Last, Leid und was man sonst noch damit verbindet. Aber es finden auch technische Geräte ihren Weg in die Texte der Popmusik. Beliebt ist das Auto, ob der neue Cadillac – der sogar in mehreren unterschiedlichen Songs vorkommt – oder die Corvette, auch Motorräder waren Songthemen. Ebenso das praktische Gerät zum Kaffeekochen, der Percolator, spielte sowohl bei Randy Randolph als auch bei Billy Joe & The Checkmates im Song eine Rolle. Sogar ein Betonmischer wurde besungen und mehrfach gecovert. Ein Betonmischer? Da kommt man mit rudimentärem Englisch auf die falsche Spur. Ein Cement mixer ist kein technisches Gerät, sondern ein shot drink (Kurzer) aus Irish Cream und Limettensaft.

Was uns aber besonders auffiel – ein technisches Gerät, das Telefon, kommt in sehr vielen Songs direkt oder indirekt vor. Mit dem Klingeln eines Telefons begann 1973 die beispiellose Karriere der schwedischen Band ABBA, die sich zu diesem Zeitpunkt noch Björn & Benny, Agnetha & Frida nannte. Sie traten mit dem Song am 10. Februar 1973 beim schwedischen Melodifestivalen, der Vorauswahl zum ESC, auf und kamen aber nur auf den dritten Platz. Der Sprung zum ESC gelang ihnen dann ein Jahr später mit Waterloo.

Der Song „Ring ring (Bara du slog en signal)“, am 10. Januar 1973 aufgenommen und als Vorab-Release zu ihrem Debut-Album am 14. Februar 1973 erschienen, wurde ein großer Erfolg. Die schwedische Version kam auf Platz 1 der heimischen Charts, die englische auf Platz 2. Bis Ende März wurden von beiden Singles insgesamt etwa 100.000 Stück verkauft, was in Schweden bisher nur wenigen Künstlern gelungen war. Im Text geht es darum, dass eine Frau ihren Freund anfleht, doch endlich mal anzurufen, da es sonst aus und vorbei wäre. In der deutschen Fassung des Songs wird sogar die Telefonnummer (140703) genannt.

Das Telefon ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts und so wie die Schallaufzeichnung, über die im vorigen Blog-Artikel berichtet wurde, hat es mehrere Väter. Wer mehr darüber wissen will, kann sich hier ausführlich und umfassend informieren. Die britischen Sweet haben einem der Erfinder sogar einen Song gewidmet, „Alexander Graham Bell“. Und natürlich geht es im Text darum, dass ihn der Wunsch, mit seinem geliebten Mädchen zu sprechen, dazu brachte, das Telefon zu erfinden.

Aber wer kam zuerst auf die Idee, diese Erfindung in einem Song zu erwähnen? So genau ist das schwer herauszubekommen. Zumindest kennen wir vermutlich den ersten Song, in dem das Telefon eine Rolle spielt. Joseph E. Howard und Ida Emerson schrieben 1899 die Ragtime-Nummer „Hello! Ma Baby“. Die Textzeile „Hello! Ma Baby, Hello! Ma Honey, Hello! Ma Ragtime Gal“ bezieht sich direkt auf das Telefon und die neue Möglichkeit, über Entfernung miteinander zu kommunizieren. Arthur Collins nahm den Song noch im selben Jahr auf, und hier könnt Ihr ihn Euch anhören.

Das Telefonieren war zum Ende des 19. Jahrhunderts noch ein Privileg für wenige. Das erste Berliner Telefonbuch (ein dünnes Heftchen), 1881 von der „Fernsprecheinrichtung“ der Deutschen Reichspost herausgegeben, enthielt gerade mal 48 Teilnehmer. Vor allem Geschäftsleute, Ärzte und Institutionen, denn das Telefon war ein Luxusgegenstand.

Telefonieren ging damals so vonstatten: Man nahm den Hörer ab (das Mikrofon war fest am Apparat installiert), drehte an einem Kurbelinduktor und schickte so einen elektrischen Impuls an die Vermittlung. Dort fiel an einem Klappenschrank die Klappe mit dem Namen des Teilnehmers und das Fräulein vom Amt (schon zu Beginn waren es meist Frauen, die am anderen Ende der Leitung tätig waren) meldete sich. Man sagte, mit wem man sprechen wollte, und es wurde das Kabel, das mit der Leitung des Anrufenden verbunden war, aus dem unteren Teil des Schrankes nach oben gezogen und der Klinkenstecker in die Buchse des gewünschten Gesprächspartners gestöpselt. Der Anrufer drehte dann wieder an seinem Kurbelinduktor – am anderen Ende der Leitung klingelte es, und wenn der Gesprächspartner den Hörer abnahm, konnte man sich unterhalten. Zum Ende des Gesprächs wurde wieder an der Kurbel gedreht und der Vermittlung so signalisiert, dass das Gespräch beendet war. Die Vermittlungsdame zog den Klinkenstecker aus der Buchse und trennte die Verbindung.

Aber zurück zur Musik. Ein bekannter älterer Song, in dem das Telefon eine Rolle spielt, ist „Long Distance Moan“ von Blind Lemon Jefferson vom November 1929. Im Text bittet er die Vermittlung um einen „credit call“ (collect call, in Deutschland als R-Gespräch bekannt), also dass der oder die Angerufene die Kosten des Gespräches übernimmt, weil er unbedingt mit seinem „Baby“ sprechen muss, damit sie ihn nicht verlässt. Es geht mal wieder um die Liebe.

Eine ähnliche Geschichte hat Dr. Hook & The Medicine Show 1971 zu einem Welthit verholfen. In „Sylvia’s Mother“ will der Anrufer mit Sylvia sprechen, bekommt aber immer nur ihre Mutter ans Telefon. Und dann quatscht auch alle paar Minuten der Operator dazwischen und will 40 Cent für die nächsten drei Minuten haben. An der Stelle bedarf es für die heutige Generation einer etwas ausführlicheren Erläuterung. Noch in den 1970er Jahren konnte man auch in den USA nicht einfach an der Wählscheibe drehen und in der nächsten Stadt oder in einem anderen Bundestaat anrufen. Man wählte erst die Vermittlung an und sagte, mit welchem Teilnehmer in welcher Stadt man sprechen wollte. Daraufhin teilte die Vermittlung (Operator) die Kosten für die ersten Minuten mit, und man musste die entsprechenden Münzen in den Fernsprecher einwerfen.

Jede Münzgröße hatte ihren eigenen Einwurfschlitz und fiel dabei auf eine Glocke. An den unterschiedlichen Glockentönen konnte der Operator hören, ob genügend Geld eingeworfen worden war. Mit Hosenknöpfen hat das nicht funktioniert, es gab im Gerät einen Münzprüfer. Wenn man 10 Cent in den 25-Cent-Schlitz geworfen hat, kam der Dime sofort unten wieder raus. Die „Long Distance“-Handvermittlung wurde in den USA erst im Verlauf der 1970er Jahre abgelöst. In der Bundesrepublik gab es den „Selbstwählferndienst“ ab 1972 flächendeckend. Aber zurück zum Song: In „Sylvia's Mother“ verarbeitet Shel Silverstein eigene, persönliche Erfahrungen. Er hatte versucht, seine ehemalige Freundin Sylvia zu erreichen, wurde aber von der Mutter abgewiesen, weil Sylvia im Begriff war, ihr Heim zu verlassen, um zu heiraten.

Nun waren die Leitungen zwischen den Städten, die dem Operator zur Verfügung standen, nicht unbegrenzt, und so konnte es durchaus vorkommen, dass man zwar den Operator anrufen konnte, der aber keine freie Leitung hatte. Die Niederländer um Long Tall Ernie & The Shakers beschreiben in „Operator, Operator (Get Me A Line)“ genau dieses Problem. Und wieder geht es im Text darum, das geliebte Mädchen nicht zu verlieren und die große Liebe zu ihr am Telefon zu schildern. Annett Louisan hat 2008 ihr Telefon mit dem Computer verbunden und meint „Drück die 1“. Der Text hört sich wie die nervige Auswahl in einer Telefonhotline an. Im Video kann man sie an einem klassischen Klappenschrank herumstöpseln sehen und bekommt einen Eindruck, wie die Handvermittlung in der Frühzeit des Telefons vonstatten ging.

Machen wir einfach mal weiter mit den Telefonsongs. Mit „Wähle 3-3-3 auf dem Telefon“ hatte Graham Bonney 1969 in Deutschland einen Riesenhit, der sich 15 Wochen in den Charts hielt. Auch Wilson Pickett möchte, dass sein Mädchen ihn anruft, und so nennt er im Song seine Rufnummer „634-5789 (Soulsville, U.S.A.)“. In „Skandal im Sperrbezirk“ wird von der Spider Murphy Gang aus ganz anderen Gründen eine Rufnummer genannt: „Die Rosie hat ein Telefon, auch ich hab’ ihre Nummer schon. Unter 32 16 8 herrscht Konjunktur die ganze Nacht“. Diese Rufnummer gab es natürlich in verschiedenen Städten, und so gab es „Spaßvögel“, die dann die Nummer anriefen und am Telefon den Song vorspielten oder sangen. Wegen der Textzeile „Und draußen vor der großen Stadt steh’n die Nutten sich die Füße platt“ wurde der Song in Bayern von den öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern lange Zeit boykottiert.

Call Me“ von Blondie läuft als Intro im Film „American Gigolo“ und bringt im Text schon den Inhalt des Films auf den Punkt. Beim gleichnamigen Song, den Petula Clark 15 Jahre vor Blondies Hit veröffentlichte, scheint es auf den ersten Blick um ein ähnliches Thema zu gehen. Aber vielleicht will sie mit diesem Text auch nur ihren Freund animieren, sie anzurufen, wenn es ihm nicht gut geht. Nach Blondie gleich noch ein Filmsong: „I Just Called To Say I Love You” aus dem Film „The Woman In Red“, aber auch hier gesteht Stevie Wonder dem Partner am Telefon nur seine Liebe.

Und weil wir es nicht lassen können, gleich noch ein Filmsong. In dem US-Thriller „Drive“ bietet ein namenloser Fahrer seine Dienste für die Flucht nach Diebstählen und Raubüberfällen an. Über einen „Nightcall“ erfährt er Ort und Zeit des geplanten Verbrechens und wartet dort genau 5 Minuten, um den Akteuren zur Flucht zu verhelfen. Kavinsky a. k. a. Vincent Belorgey hat mit dem Titelsong des Films (es singt die Brasilianerin Lovefoxx) internationale Anerkennung erlangt. Bei der Schlussfeier der Olympischen Sommerspiele in Paris trat Kavinsky am 11. August zusammen mit Angèle und Phoenix auf.

Mit „Call Me Maybe“ kam die kanadische Sängerin Carly Rae Jepsen 2012 an die Spitze der kanadischen TOP 100. Im Lied bittet sie einen Mann, den sie gerade erst kennen gelernt hat, intensiv darum, sie anzurufen. Und noch mal „Call Me“ im Songtitel, aber dieses Mal „Call Me Baby“. Mit dem Song kommt der K-Pop in den Artikel. Die koreanisch-chinesische Boyband Exo verkaufte den Song in Südkorea bis zum September 2016 über 1,2 Millionen mal. Wir verzichten ausnahmsweise mal darauf, hier den koreanischen und chinesischen Text (der Song wurde in beiden Sprachen veröffentlicht) zu hinterlegen. Es geht auch hier darum, dass die Freundin angefleht wird, doch schnell anzurufen. Auch Spagna bittet in „Call Me“ flehend darum, endlich von ihrem Freund angerufen zu werden. Im Lied fürchtet sie, dass er ihre Rufnummer verliert, und er soll doch jetzt anrufen.

Da es bei den Muppets ja kaum etwas gibt, was nicht auch im wirklichen Leben vorkommt, spielt auch das Telefon – in diesem Fall eine Telefonzelle – eine Rolle in einem ihrer Songs. Little Jerry and The Monotones haben sich in einer Telefonzelle verkeilt und singen ihren „Telephone Rock“ so lange der Operaterin ins Ohr, bis sie mitsamt der Telefonzelle abgeholt werden. Auch Placido Flamingo aus dem Muppets-Ensemble besingt mit „Telephone Opera“ zur Melodie von „Funiculi Funicula“ sein altmodisches Telefon.

Auf Russisch heißt „Ruf mich an“ – „Позвони мне (Pozvoni mne)“ und noch eindringlicher „Позвони мне, позвони“. Mit diesen Worten bittet Zhanna Rozhdestvenskaya 1981 im Film „Карнавал (Karneval)“ ihren Vater, sie schnellstmöglich anzurufen. Sie hat sich in eine persönliche Notsituation manövriert und braucht dringend seine Hilfe. In der Anfangsszene des Videos sieht man eine Reihe von Telefonzellen mit den damals in der Sowjetunion üblichen Münzfernsprechern.

Alla Pugacheva beschwert sich in „Делу время… (Delu vremya… / Es ist Zeit)“ über „die da oben“, die Nachbarn, die ihr auf die Nerven gehen, greift schließlich zum (sehr alten) Telefon und ruft oben an. 1985 als der Song entstand, wurde vieles doppeldeutig ausgelegt und so könnte mit „die da oben“ auch die Regierung oder die kommunistische Partei gemeint sein.

Bei „Chantilly Lace“ kommt man ja nicht sofort darauf, dass hier das Telefon eine Rolle spielen könnte, denn Chantilly Lace ist eine besondere Art von Klöppel-Spitze aus Frankreich. Aber in dem Song hören wir, wie Big Bopper seiner Gesprächspartnerin am Telefon vorsäuselt, was er alles mag. Sieben Monate nach Veröffentlichung des Songs, am 3. Februar 1959, stiegen Buddy Holly, Big Bopper und Ritchie Valens in Clear Lake in der Nähe von Mason City, Iowa, in eine viersitzige Beechcraft Bonanza, die im Schneesturm startete und nur fünf Meilen später, vermutlich infolge eines Pilotenfehlers, abstürzte. Niemand hat den Absturz überlebt. Don McLean hat 1971 mit der Textzeile „The Day The Music Died“ in seinem Song „American Pie“ diesem Absturz ein Denkmal gesetzt.

Einer der bekanntesten Songs, in dem auch die Telefonistin (Long distance information) erwähnt wird, ist „Memphis Tennessee“ von Chuck Berry. Bei den ersten Zeilen des Textes glaubt man noch, dass er die Rufnummer seiner Freundin wissen will. Erst in den letzten beiden Zeilen erfährt man, dass Marie die sechsjährige Tochter des Erzählers ist, deren Mutter – vermutlich die Ex-Frau – „… unser glückliches Zuhause zerriss.“ Bei uns sind derzeit 159 Coverversionen dieses Songs in der Datenbank, es gibt aber wohl über 200.

Kein Schwein ruft mich an“ – das ist schon tragisch, aber für Max Raabe war dieser Song 1992 der große Durchbruch. In Outfit und Gesangsstil an die 1920er und -30er Jahre angepasst und mit seinem Palast Orchester traf er beim Publikum einen Nerv und ist bis heute erfolgreich. Beim „Teleromeo“ schmachten die drei belgischen Damen von K3 ihr Telefongegenüber in Niederländisch und Französisch an, sie doch zu erhören. Trotz des flotten Discofox-Rhythmus war dem Song aber ein eher mäßiger Erfolg beschieden.

Ein Song, in dem das Telefon und nicht die Liebe die Hauptrolle spielt, ist „Mein neues Handy“ der Kölner Band Wise Guys. Im Text wird mit viel Ironie geschildert, wie sehr inzwischen dieses Gerät unser Leben bestimmt. Die meist mit A-cappella-Gesang beeindruckende Band hat aber noch einen weiteren Song zum Handy veröffentlicht. Im Text von „Oh Handy“ (auf die Melodie von Barry Manilows „Mandy“) gesungen, wird das Auftreten der ersten Mobiltelefonbesitzer beschrieben, für die das Gerät in erster Linie als Beweis ihrer Wichtigkeit diente. Lang, lang ist’s her.

„Weird Al“ Yankovic war vom Handy-Klingeln in seinem Umfeld so genervt, dass er einen Song darüber geschrieben hat – „Ringtone“. Das war zu einer Zeit, als man bei Jamba und ähnlichen Anbietern alle Sorten von ausgefallenen Klingeltönen kaufen und seine Umwelt damit in den Wahnsinn treiben konnte. Vier Jahre vorher hat sich Yankovic in einem Konzert auch schon darüber lustig gemacht, dass alle Welt jetzt ein Cell Phone hat. Nach unseren Erkenntnissen hat es der Song aber nie auf einen Tonträger geschafft. Auch den Text sucht man im Netz leider vergeblich, zum Glück ist er kurz und gut zu verstehen.

Die meisten Schlager, in denen ein Telefon vorkommt, stammen aus den 1960er und -70er Jahren, als das Festnetztelefon weit verbreitet, aber noch nicht selbstverständlich war. Bill Ramsey freute sich 1960 über einen Anruf aus Paris. Dann gibt es noch die Songs, in denen das Telefon nur am Rande vorkommt. Bei Al Bano & Romina Power wird in „Felicità“ ein unerwarteter Anruf („È una telefonata non aspettata“) als Glück bezeichnet. In der „The Ballad Of Lucy Jordon“ lässt die gelangweilte und unzufriedene Vorstadt-Hausfrau das Telefon unbeachtet klingeln. Bei Mario Jordan (Mario Lehner) „Welch ein Tag“ sind es „ein paar Ziffern hingekritzelt auf ein Stück Papier“, die ihn zum Telefon greifen lassen. In „Frag Maria“ von Roy Black gibt es die Textzeile „Dein Herz ist für Maria das beste Telefon“. ABBA singen im Refrain von „One Of Us“ „One of us is lonely, one of us is only waiting for a call“. So könnten wir diese Reihe noch um sehr viele Songs erweitern.

Abschließend können wir feststellen, dass das Telefon als Transportmittel für Gefühle in der Musik eine bedeutende Rolle spielte und sicher auch noch in Zukunft spielen wird.

Zum Schluss der Betrachtungen über das Telefon in der Popmusik möchten wir aber noch an eine Spezies erinnern, die noch vor wenigen Jahrzehnten vieltausendfach den urbanen Lebensraum besiedelte – die Telefonzelle. Zusammen mit ihrem symbiotischen Lebenspartner, dem Münzfernsprecher, bot sie sich den Menschen als Mittel zur Kommunikation an. Aber mit dem massiven Eindringen der invasiven Gattung des Handys (von dem Spötter behaupten, dass der Name von einem Schwaben geprägt worden sei: „Hen die koi Kabel?“) sind die Telefonzellen ausgestorben. Nur vereinzelt haben Exemplare, als leere Hülle mit der Funktion als Tauschbox für Bücher oder Hausrat, überlebt.

Mit freundlicher Genehmigung von Tom Körner

Mit diesem Nachruf wollen wir unseren Blog-Artikel beenden, wünschen noch viel Freude mit dem Anklicken der vielfach vorhandenen Links und würden uns natürlich wieder über Kommentare freuen.

/AME

Mittwoch, 23. Oktober 2024

Schall & Platte

In diesem Blog-Artikel möchten wir Euch ein paar Fakten und auch Geschichten nahebringen, zu dem Tonträger, der in unserer Datenbank in großer Anzahl vorhanden ist – der Schallplatte. Vieles davon ist dem einen oder anderem von Euch sicher bekannt und man kann es auch in diversen Wikipedia-Artikeln nachlesen, aber wir möchten es hier für Euch, einmal gebündelt und mit ein paar Geschichten angereichert, darbieten.

Schall aufzuzeichnen gelang nachweislich zuerst dem Franzosen Édouard-Léon Scott de Martinville. Er meldete 1857 das Prinzip des Phonoautomaten zum Patent an. Die Umsetzung zog sich dann aber etwas hin, denn es gelang ihm erst am 9. April 1860, das französische Kinderlied „Au clair de la lune“ aufzunehmen. Mit Hilfe eines großen Trichters und einer daran befindlichen Membran, an der eine Schweineborste befestigt war, konnte er die Schwingungen des Schalls auf eine mit Ruß geschwärzte Walze übertragen.

Nur wiedergeben konnte er damit die aufgezeichneten Töne natürlich nicht, er konnte sie sich nur ansehen. Erst 2008 ist es gelungen, die von Martinville aufgezeichneten Töne hörbar zu machen. In den Archiven der Académie des sciences war ein Phonoautogramm von 1860 gefunden worden, das im Lawrence Berkeley National Laboratory rekonstruiert und hörbar gemacht werden konnte. So konnte man 148 Jahre nach der Aufnahme die Stimme von Scott de Martin hören, der „Au clair de la lune“ sang.

Schallaufzeichnungen auch wiederzugeben, gelang zuerst 1877 Thomas Alva Edison mit seinem Phonographen. Edison war ein genialer Erfinder und Geschäftsmann, dem die Welt der Technik sehr viel verdankt. Gegen die Bezeichnung ‚Genie‘ hat er sich aber stets gewehrt, mit seinen Worten war Genialität 1 % Inspiration und 99 % Transpiration. Der von ihm entworfene und zum Patent angemeldete Phonograph war von seinem langjährigen Partner John Kruesi gebaut worden. Die Töne wurden in Höhenschrift, entsprechend der Vibration der Membran am Ende des Schalltrichters, von einem Stift in eine mit Zinnfolie bespannte Walze eingraviert. Auch hier war die erste Aufzeichnung ein Kinderlied „Mary Had A Little Lamb“. Die Töne, die dann wiedergegeben werden konnten, waren aber unsauber und mit starken Nebengeräuschen behaftetet. Edison selbst – sonst cleverer Geschäftsmann – sah zuerst keinen großen wirtschaftlichen Vorteil in seiner Erfindung und wandte sich anderen Bereichen zu. Diesen Fehler hat er aber später erkannt und sich dann doch noch diesem Fachgebiet gewidmet.

In Frankreich reichte Charles Cros (von Hause aus eigentlich Dichter und Autor) 1877 eine Arbeit bei der Naturwissenschaftlichen Akademie ein, in der er das von Edison benutzte Prinzip der Schallaufzeichnung über einen Stift an einer Membran und dessen Gravur in eine Metallfolie und die anschließende Wiedergabe anschaulich beschrieb – ohne Edisons Arbeit zu kennen. Cros nannte sein konzipiertes Gerät ‚Paléophone‘, es kam aber nie zur Realisierung dieser Idee. Wie bei so vielen anderen Erfindungen, die parallel an verschiedenen Orten der Welt geboren wurden, war die Zeit einfach reif dafür – man denke nur an das Telefon, das ja auch mehrere Väter hat.

Da Edison aus wirtschaftlichen Gründen seine Erfindung vorerst nicht weiterentwickelte, nahmen sich Chichester Alexander Bell und Charles Sumner Tainter im Volta Laboratory der Erfindung an und entwickelten die Phonographenwalze mit einer Wachsbeschichtung. Edison lehnte zwar eine Kooperation mit den beiden Erfindern ab, begann dann aber doch selbst seine Erfindung nach diesem Prinzip zu verbessern. Er war aber in erster Linie an der Vervielfältigung der Tonaufnahmen interessiert. In der Anfangszeit wurden mehrere Phonographen nebeneinander aufgestellt und gleichzeitig gestartet. Die Künstler mussten das Stück dann viele Male hintereinander spielen, um eine ausreichende Menge an Walzen für den Verkauf zu produzieren. Ein wirklich effektives Kopier-Verfahren zum Herstellen von Phonographenwalzen entstand erst 1902.

Inzwischen war ein weiterer Akteur auf dem Gebiet der Tonaufzeichnung erschienen, der das gesamte System revolutionieren sollte und der eigentliche Erfinder der Schallplatte ist. Emil Berliner (ein in Hannover geborener Deutscher, der 1870 in die USA auswanderte) meldete 1887 ein Patent auf einen scheibenförmigen Tonträger an, auf dem von außen nach innen schneckenförmig eine Rille geritzt war, welche die Tonschwingungen in Seitenschrift enthielt. Der große Vorteil der Schallplatte war, dass sie von Beginn an industriell gefertigt werden konnte und nicht einzeln bespielt werden musste. Anfangs bestanden Berliners Platten aus Hartgummi, später wurde eine Mischung aus Baumwollflocken, Schieferpulver, Ruß und Schellack verwendet - ein seinerzeit sehr preiswertes Rohmaterial.

Neben der einfachen Reproduzierbarkeit hatte die Schallplatte gegenüber dem Edison-Zylinder auch noch den Vorteil, dass sie ab 1904 zweiseitig hergestellt werden konnte, also auf jeder Seite ein Musikstück enthielt. Ab 1911 präsentierte auch Edison Schallplatten, die Edison-Diamond-Disc. Wie seine Phonographen-Walzen erfolgte auch hier die Schallaufzeichnung in Tiefenschrift, im Unterschied zu Emil Berliners Platten, welche den Schall in Seitenschrift aufzeichneten. Diamond-Disc konnten nicht mit dem damals schon weit verbreiteten Grammophon abgespielt werden, das hätte die Platten sofort zerstört.

Das beginnende 20. Jahrhundert war auf dem Gebiet der Schallaufzeichnung vor allem durch eine Vielzahl konkurrierender Systeme gekennzeichnet, die alle untereinander inkompatibel waren. Auch die französiche Firma Pathé stellte Schallplatten in Tiefenschrift her, die weder mit den Schallplatten von Berliner noch mit denen von Edison kompatibel waren. Mitte der 1920er Jahre hatte sich aber die von Emil Berliner entwickelte Schallplatte durchgesetzt und alle anderen Systeme verschwanden nach und nach vom Markt. Die letzten Phonographenwalzen (Edison Blue Amberol) kamen 1929 in den Handel.

Die Schellackplatte gab es in einer Vielzahl von Größen, bevor sich die noch bis in die 1960er Jahre üblichen 10″- und 12″-Scheiben durchsetzen. Bei uns in der Datenbank findet Ihr neben den gängigen Formaten auch 6″-, 7″-, 8″- und 9″-Scheiben, wenn diese auch nicht sehr zahlreich bei uns vertreten sind. Mit der Geschwindigkeit wurde ebenfalls sehr viel experimentiert. Von 50 RPM bis 100 RPM gab es alle möglichen Abspielgeschwindigkeiten, bis sich letztendlich die Geschwindigkeit von 78 RPM allgemein durchgesetzt hatte.



Während des zweiten Weltkrieges wurde das Material Schellack knapp und teuer und so entwickelte man in den 1940er Jahren ein neues Material für die Plattenproduktion – Polyvinylchlorid, umgangssprachlich nur Vinyl genannt. Erstaunlich ist, dass die erste Vinylplatte von RCA Victor bereits 1930 auf den Markt gebracht wurde – sie hatte einen Durchmesser von 30 cm (12″) und wurde mit 33 13 RPM abgespielt. Kommt Euch das bekannt vor? Erfolg war dieser Entwicklung allerdings nicht beschieden, sie kam einfach zu früh und der Mangel an geeigneten Wiedergabegeräten war der Hauptgrund dafür. Ende der 1930er Jahre begann man, Radioprogramme und Werbespots aufzuzeichnen und auf Vinyl gepresst an andere Sender zu verschicken, da diese Platten nahezu unzerbrechlich waren und auch den rustikalen Transport der damaligen Zeit überstanden. Man entdeckte dann auch den Markt für Kinder, und da Schellackplatten auf Grund ihrer Zerbrechlichkeit für Kinder nicht wirklich geeignet waren, kamen hier die ersten Vinylplatten in den Handel. Es gab sie nicht nur in der bisher üblichen Größe von 10″, auch kleinere Formate wurden hergestellt. Sie wurden mit 78 RPM und den normalen, stählernen Grammophonnadeln abgespielt.

In größerem Umfang kamen Vinylplatten erstmals als sogenannte V-Disc (Victory Disc) von 1942 bei der US-Armee zum Einsatz, um die GIs mit Unterhaltungs- und klassischer Musik zu versorgen. Während des Aufnahme-Streiks der US-Musikschaffenden (August 1942 bis November 1944) waren V-Disc die einzigen in den USA zugelassenen Einspielungen mit Instrumentalmusikern. V-Disc hatten in der Regel einen Durchmesser von 12" und liefen mit 78 RPM, seltener mit 33 13 RPM. Aber die klassische, stählerne Abtastnadel war für diese Vinylplatten tabu, sie wurden mit dem kleineren Mikrosaphir abgespielt.

Größeren kommerziellen Erfolg hatten die Vinylplatten vorerst nicht, obwohl man sich der Vorteile der besseren Tonqualität und der längeren Laufzeit und Haltbarkeit ohne weiteres bewusst war. Der Grund dürfte vor allem darin gelegen haben, dass man neue Abspielgeräte benötigte, die noch teuer und nicht in größerem Umfang vorhanden waren. Das änderte sich 1948 grundlegend, als Columbia Records mit der 12"-Langspielplatte (LP) und einer Abspielgeschwindigkeit von 33 13 RPM auf den Markt kam. Entwickelt wurde sie von Peter Carl Goldmark, einem in Budapest geborenen US-Ingenieur, der dafür in die National Inventors Hall of Fame aufgenommen wurde. Das war nicht seine einzige bedeutende Entwicklung. Noch bekannter wurde Goldmark, als er 1940 das erste funktionierende Farbfernsehsystem vorstellte.

Und 1949 brachte RCA Victor das Medium auf den Markt, das ein paar Jahre später der Brandbeschleuniger des Rock ‘n’ Roll werden sollte. Als Konkurrenzmodel zur Columbia-LP entwickelte RCA-Victor die 7"-Single (17,5 cm) mit großem Mittelloch, die mit 45 RPM abgespielt wurde. Man entschied sich für dieses Format, weil sich fast alle Musikstücke in 5-Minuten-Takes unterteilen lassen. Um mit der Abspiellänge der Columbia-LP mithalten zu können, wurden von RCA-Victor für ihr Format automatische Plattenwechsler angeboten. Beide Formate wurden zunächst als Konkurrenz vermarktet, die angebotenen Plattenspieler hatten zuerst auch nur jeweils eine Geschwindigkeit und man musste sich für 33 13 RPM oder 45 RPM entscheiden. So einen „Formate-Krieg“ gab es ja schon bei der Schellackplatte und ebenfalls einige Jahre später bei den Audio-Kassetten und Video-Kassettensystemen. Erst Mitte der 1950er Jahre wurden Plattenspieler angeboten, die alle drei damals üblichen Geschwindigkeiten (33 13, 45 und 78 RPM) abspielen konnten.



Die LP wurde von der Elterngeneration bevorzugt, aber die Kids liebten die 7"-Single! Sie kostete nur ein paar Cent, war leicht zu transportieren, um sie bei den Freunden abzuspielen und vor allem die damals auf den Markt kommenden batteriebetriebenen Plattenspieler waren der Hit für die Teenager. Damit konnte man sich ins Freie verziehen, wo kein Vater und keine Mutter brüllten, dass man die Musik leiser machen sollte. Koffergrammophone gab es zwar schon lange, aber sie waren groß und unhandlich. Dazu darf man nicht vergessen, dass eine 10″-Schellackplatte ein recht großes Gewicht hatte (150 bis 200 g) und wenn man 20 bis 30 Platten mitnahm, hatte man schon ein paar Kilo zu schleppen. Da war das Leichtgewicht 7" ein echter Vorteil.

Wir lehnen uns mal ganz weit aus dem Fenster und behaupten, ohne die 7″-Single hätte es die schnellen Erfolge der Pop-Musik und auch des Rock ‘n’ Roll nicht gegeben. Die Jukebox, für die die 7″-Single nun das ideale Medium darstellte, beförderte die Entwicklung der Popmusik noch weiter. Maschinen, die nach Münzeinwurf Musik abspielten, gab es zwar schon lange, aber mit der nahezu unzerbrechlichen Vinylsingle und deren leichter Handhabbarkeit stieg die Popularität der Jukeboxen. Jedes Lokal das etwas auf sich hielt, stellte eine Wurlitzer, Seeburg oder Rock-Ola bei sich auf. Die Musikindustrie hatte das schnell erkannt und produzierte neben den LPs auch jede Menge Singles, oft auch als vorab Veröffentlichung einer LP oder eines Albums.

Man erprobte auch neue Formate. So gab es Anfang der 1950erJahre die EP in 7″-Größe, die auf beide Seiten verteilt normalerweise vier, manchmal aber auch sechs oder acht Songs enthielt. EPs liefen anfangs mit 45 RPM, aber bald stellte man auch EPs her die mit 33 13, RPM abgespielt wurden. Die dadurch verminderte Klangqualität nahm man in Kauf, da man der Popmusik darauf sowieso keinen großen künstlerischen Wert beimaß. Und die Singles wurden bunt! Nicht nur das langweilige Schwarz lag auf dem Plattenteller, es gab sie bald in allen Farben, auch glasklar und durchsichtig. All die sind heute oftmals begehrte Sammlerstücke, nur abspielen sollte man sie nicht allzu oft, sie rauschten stärker, verschleißen selbst und auch den Tonabnehmer.

Ende der 1960er Jahre kamen dann die ersten Picture Discs auf den Markt. Singles (später auch LPs), die nicht einfarbig waren, sondern ein Bild zeigten. Auch diese sind heute begehrte Sammlerstücke mit ähnlichen Schwächen bei der Tonqualität. Und noch ein Sammlerstück kam auf den Markt: die Shape-Disc. Diese war nur an der Stelle rund, die für das Abspielen der Musik erforderlich war. Darüber hinaus waren alle Formen möglich, die noch auf den Plattenteller passten. Man konnte das Band-Logo in ausgeschnittener Form verwenden, ein Motiv des Songs oder was auch immer der Band oder dem Marketing einfiel. Wie viele Tonabnehmernadeln diese Singleform auf dem Gewissen hat, lässt sich nicht sagen, aber ungefährlich waren die Dinger nicht. Man musste schon verdammt aufpassen, wo man den Tonarm absenkte, denn die Einlaufrille war oft dicht am eckigen oder gezackten Rand. Shape-Discs fanden dann sogar bis heute ihre Fortsetzung als Shape-CDs.



Schon in den 1950er Jahren kamen Flexi-Discs auf den Markt, Schallplatten aus einem flexiblen Material oder auch plastikbeschichteter dünner Pappe. Beliebt als klingende Urlaubsgrüße im Postkartenformat oder auch als Beilagen von Fanzeitschriften. In der Sowjetunion erschien über einige Jahre hinweg mit „Кругозор“ ein Jugendmagazin, das bis zu zehn solcher flexibler Musikfolien enthielt, die sogar beidseitig abgespielt werden konnten. Die Klangqualität dieser Flexis war natürlich mit den Vinylplatten nicht zu vergleichen, aber sie waren eine Zeit lang ein beliebtes Medium.

Eine besonders delikate Form der Flexi-Discs waren die in der Sowjetunion illegal auf Röntgenfolien geschnittenen ‚Ribs‘ (рёбра), auch ‚Musik auf den Rippen‘ (Музыка на рёбрах) oder ‚Jazz auf Knochen‘ (Джаз на костях) genannt. Röntgenfilme konnte man aus dem Müll von Krankenhäusern fischen oder dort auch billig kaufen. Die Folien wurden auf 7″-Größe geschnitten, das Mittelloch einfach mit einer Zigarette reingebrannt und die Musik mit 78 RPM in die Folie geschnitten. Die Qualität war natürlich grauenhaft, aber so konnte sich in den 1950er und 1960er Jahren Musik in der Sowjetunion verbreiten, die dort verboten war.

Im Jahr 1989 überstieg dann in Deutschland die Anzahl der produzierten CDs mit 56,9 Mio. Stück erstmals die Anzahl der produzierten Vinyl-LPs (48,3 Mio. Stück). In den USA war das bereits im Vorjahr passiert. Nun konnte man eine Textzeile von Hildegard Knef zitieren: „Von nun an ging’s bergab“. Der Tiefpunkt war das Jahr 2001, da standen 0,6 Mio. in Deutschland produzierten LPs 133,7 Mio. CDs gegenüber. Aber wie es oft so ist – Totgesagte leben länger! Nachdem über die Hungerjahre des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts nur wenige, beinharte Fans dem Vinyl die Treue gehalten haben, wurden 2022 wieder 4,3 Mio. LPs produziert und auch weltweit erlebte das Vinyl eine Renaissance. Nicht nur das, es fanden vielen Künstler es sogar wieder chic, ihre Songs auf eine 7″-Single zu pressen. Es wurden sogar neue Presswerke gebaut und modernere Pressen entwickelt. So wurden in den USA 2022 erstmals wieder mehr LPs als CDs verkauft. Gut, aber auch der CD geht es heute dank der Streaming-Dienste auch nicht so besonders.

Man könnte noch sehr, sehr viel mehr über die Schallplatte schreiben: Wann die ersten Stereo-Platten verkauft wurden und welche Systeme dort zur Anwendung kamen. Warum sich die MiniDisc (MD) von Sony als Nachfolger der Kompaktkassette nicht durchsetzen konnte und welche anderen Systeme in den 1990er Jahren versuchten, der CD Konkurrenz zu machen. Wir möchten es damit aber erst einmal bewenden lassen – es sind ja ausreichend Links im Text enthalten, so dass jeder neugierige User selbst nachlesen und im Netz stöbern kann.

Auf jeden Fall haftet einer Schallplatte etwas Besonderes an, mit dem eine CD (erst recht ein gestreamter Song) nicht mithalten kann. Man nimmt sie aus der dekorativen Hülle, legt sie vorsichtig auf den Plattenteller, entfernt den Staub mit einem weichen Bürstchen, setzt dann sanft den Tonarm in die Anlaufrille, lehnt sich zurück und genießt die Musik – ein kleines Ritual. Und die Coverhüllen der LPs waren sehr oft richtige kleine Kunstwerke (manchmal skandalträchtige, aber das ist wieder ein anderes Thema). Wen es interessiert, welcher Aufwand in den 1970er und 80er Jahren für Entwurf und Produktion von Coverhüllen betrieben wurde (und wie viel Geld die Plattenfirmen bereit waren, dafür zu zahlen), dem sei der Dokumentarfilm „Squaring the circle“ empfohlen, die Geschichte der Firma „Hipgnosis“.



Dann viel Spaß beim weiteren Stöbern im Netz zum Thema „Schallplatte“ und wir freuen uns natürlich über Kommentare.

/AME

Sonntag, 3. März 2024

„Nomen est omen“ oder woher haben Bands ihre Namen?

Wenn man den Namen einer Band liest, fragt man sich oft, wie die Musiker darauf gekommen sind. Bei „Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich“ ist es einfach, da haben die Bandmitglieder einfach ihre Namen bzw. Spitznamen genommen.

Auch für die Klaus Renft Combo ist es leicht. Klaus Jentzsch (seine Großmutter hieß Renft und er hat diesen Künstlernamen angenommen) als Bandgründer und -Leader hat das entschieden. Die Puhdys haben es sich auch einfach gemacht, die Anfangsbuchstaben ihrer Vornamen genutzt und erst ein „y“ („Puhdy-Quartett“) und schließlich noch ein „s“ drangehängt. 

Bei den Beatles und den Rolling Stones ist die Namensfindung im Wesentlichen bekannt, aber wie kommt man darauf, sich „Death Cab for Cutie“ oder „10cc“ oder „Acht Eimer Hühnerherzen“ zu nennen?

Fangen wir mal mit den einfachen Sachen an. John Lennon benannte seine erste Band The Quarrymen nach der Schule, die er und andere Bandmitglieder besuchten. Da Lennon Buddy Holly sehr verehrte, wurde daraus auf Vorschlag von Stuart Sutcliffe „Beatals“, später „The Silver Beetles“ als Hommage an dessen Band „The Crickets“ – so sagen es die einschlägigen Quellen. Was allerdings „The Crickets" (Die Grillen) mit Käfern zu tun hat, erschließt sich nicht wirklich, außer das beide Insekten sind. Der Name „The Beatles“ entstand dann wohl in Deutschland, als die Band (damals noch mit Stuart Sutcliffe und Pete Best) im Hamburger Strip-Club „Indra“ auftraten. Die Geschichte, dass – nachdem Astrid Kirchherr den Bandmittgliedern die Pilzkopf-Frisur verpasst hatte (erfunden vom Fotografen Jürgen Vollmer) – Paul McCartney gesagt hätte: „Hey wir sehen ja aus wie Käfer!“ und sich daraus der Bandname ableitete, muss wohl eher ins Reich der Legende verwiesen werden.

Für die Rolling Stones wird die Geschichte kolportiert, dass Brian Jones bei einer Zeitungsredaktion anrief, um eine Anzeige für ein Konzert der Band zu platzieren. Als er gefragt wurde, wie die Band denn heißen würde, antwortete er: „Rollin’ Stone“. Angeblich hatte er diese Platte auf dem Boden vor sich liegen. Wirklich verbürgt ist die Geschichte nicht, aber Muddy Waters hat beim Bandnamen eine wichtige Rolle gespielt, egal ob mit der Textzeile „I’m a rollin’ stone“ oder mit dem Songtitel „Rollin’ Stone“. Schließlich hat eine seiner Platten Jagger und Richards auf dem Bahnhof Dartford zusammengebracht.

The Who hießen zu Beginn „The Detours“, später dann „The High Numbers“. Ihr neuer Manager Peter Meaden riet der Band, die dafür bekannt war, während des Auftritts ihre Instrumente zu zerlegen, einen anderen Namen zu wählen, der kürzer und rebellischer sein müsse. Nach Ansicht von Pete Townshend wäre „The Who“ aggressiv und energetisch genug – was auch immer ihn zu dieser Meinung gebracht hat.

Für die Namenswahl von The Animals gibt es mehrere Legenden. Zum einen hätten die Bandmitglieder in einen Pub in Newcastle upon Tyne darüber diskutiert und wären von einem Plakat über eine bevorstehende Veranstaltung „Animalism“ zu dem Namen angeregt worden. Zum anderen hätte die Band bei ihren Auftritten als „Alan Price Combo“ mehrmals von Besuchern den Satz vernommen: „Die sehen ja aus wie Tiere!“ Eric Burdon nennt aber in seiner Biographie „Animal“ Hogg, das Mitglied von „The Squatters“, einer lokalen Band, als Ursprung des Namens.

Ronnie Van Zant und seine Freunde von der High-School in Jacksonville (Florida) hatten eine Band mit Namen „The Noble Five“ gegründet. Der Sportlehrer ihrer Schule, Leonard Skinner, hatte die fünf oft wegen Verstößen gegen die Kleiderordnung (die auch die Haarlänge regelte) abgemahnt und gemaßregelt. Als die Jungs dann die Schule aufgaben, änderten sie den Bandnamen in „Leonard Skinner“. Da sie aber befürchteten, deswegen Ärger zu bekommen, tauschten sie alle Vokale gegen „y“ aus. Und so entstand Lynyrd Skynyrd. Skinner starb 2010 und er war vielleicht der einflussreichste Sportlehrer der Popkultur. Ob er das wohl als Lob gewertet hätte?

Death Cab for Cutie – wie kommt man auf so einen schrägen Namen? Ben Gibbard aus Bellingham, Washington hatte 1997 mit dem Solo-Projekt „All-Time Quarterback“ einen recht ordentlichen Erfolg und beschloss daraufhin, das Ganze zu einer Band aufzubauen. Den Namen hatte er schnell gefunden. Die „Bonzo Dog Doo-Dah Band“ (eine Gruppe von britischen Kunstschülern, die bekannt wurden mit Auftritten im Beatles-Film „Magical Mystery Tour“) hatte auf ihrem 1967er Album „Gorilla“ einen Song mit diesem Titel. Und da Gibbard fand, dass er gut zu dem mitunter etwas düsteren und rätselhaften Stil seiner Musik passte, wurde es der Name der Band. Geschadet hat es ihnen nicht, sie sind nach wie vor erfolgreich und wurden 2006 sogar mehrfach für den Grammy nominiert.

Bandnamen ändern sich auch und das mitunter nicht freiwillig. Diese Erfahrung musste auch die DDR-Band Klosterbrüder machen. Warum sie sich so genannt haben, ist nicht wirklich zu ermitteln. Da ihre Heimatstadt Magdeburg ihren Ursprung in dem 937 gegründeten Mauritiuskloster hatte, liegt es nahe, dass die Band das passend fand und so ihren Namen wählte. Die Geschichte der „Klosterbrüder“, die als die härteste Rockband der DDR galt (berühmt für ihre Live-Auftritte), liegt etwas im Dunkeln und es ist nicht wirklich klar, ob sie 1963 oder 1967 gegründet wurden. Dass sie bekannt wurden und sogar im DDR-Fernsehen auftraten, hatte aber auch Nachteile. Wegen ihrer ungezwungenen Live-Auftritte und ihrem „kirchennahen“ Bandnamen gerieten sie immer wieder in das Visier der DDR-Kulturoberen, was auch zu Spannungen innerhalb der Band führte. Ende 1975 gaben sie dann dem staatlichen Druck nach und nannten sich fortan (mit einigen personellen Neuzugängen) Magdeburg. Unter diesem Namen startete die Band 1992 ein Comeback. Seit dem 14. Januar 2000 heißen sie aber wieder „Klosterbrüder“.

Die New Yorker Band Steely Dan hat lange Zeit behauptet, dass der Name ihrer Band aus einem alten Porno-Film stammt, in dem ein stählerner Dildo eine große Rolle spielte. Der Name stammt aber aus dem Roman „Naked Lunch“ von William S. Burroughs, der 1959 veröffentlicht wurde. In dem gibt es eine Figur, die Steely Dan III heißt und einen stählernen Dildo (oder Penis?) besitzt. Walter Becker und Donald Fagen fanden das interessant und benannten ihre Band danach.

Gehen wir mal in die etwas unbekannteren Gefilde der Musik. Der Country-Sänger Bill Anderson (James William Anderson III – The Wispering Bill) hatte in den 1950er und -60er Jahren eine Begleitband die sich Po’ Boys nannte. Ein Radiomoderator (leider ist nicht bekannt, wer es war) stellte die Jungs, die eigentlich nur allgemein als die Band von Bill Anderson bezeichnet wurden, während einer Radiosendung im Jahr 1959 als „The Po’ Boys“ vor. Der Name gefiel Anderson und der Band so gut, dass sie ihn fortan behielten und später nur in „The Po’ Folks“ änderten. Ganz nebenbei – ein Po’ boy ist in Louisiana ein Sandwich gefüllt mit Fleisch und gebratenen Meeresfrüchten.

Wo wir gerade beim Buchstaben P sind – die Pet Shop Boys haben sich so genannt, weil Chris Lowe Tierhandlungen tatsächlich interessant fand und meinte, dass doch eigentlich niemand auf die Idee kommen würde, eine Popband so zu benennen. Von Neil Tennant kam dann der Vorschlag „Boys“ hinter den Pet Shop zu setzen und so eine Verbindung zu anderen Bands herzustellen, die das „Boys“ auch im Namen führten. Die Geschichte, dass sie den Namen von Freunden übernommen hätten, die in einer Tierhandlung arbeiteten und sich so nannten, ist wohl ins Reich der Legende zu verweisen.

Die Geschichte der Namensfindung für 10cc ist nicht ganz jugendfrei. Der Manager der Band hatte gelesen, dass die größte jemals gemessene Spermamenge einer Ejakulation eines Menschen 9 Kubikzentimeter gewesen sei. Und dass er einen Traum gehabt hätte, in dem er vor dem Hammersmith Odeon in London stand und dort auf einer Tafel zu lesen war: „10cc The Best Band in the World“. Graham Gouldman fand, dass das ihrer Potenz angemessen sei und so wurde es der Bandname.

Angeblich hat die Berliner Band Die höchste Eisenbahn ihren Namen von einer Schallplatte mit Hans Albers. Diesen Song entdeckten sie im Plattenladen „Bis aufs Messer“ in der Berliner Marchlewskistraße. Das würden wir ja gern glauben, wenn wir denn jemals eine Platte des großen blonden Hans mit diesem Titel im Netz gefunden hätten. Hier scheint es wie mit allen guten Geschichten zu sein – ist sie nicht wahr, so ist sie doch gut erfunden.

Fury in the Slaughterhouse hat da schon besser gesicherte Nachweise für die Herkunft ihres Namens. Der stammt aus einem Song von „Madness“. Auf deren Album „The Rise & Fall“ aus dem Jahr 1982 ist der Song „Rain“ mit der Textzeile „Fury in the slaughterhouse and the rain“. Kai und Thorsten Wingenfelder, und ihre musikalischen Mitstreiter, fanden den Namen interessant und zum Stil ihrer Band passend und dabei blieb es dann.

Die Band Counting Crows fand ihren Namen durch den britischen Kinderreim „One for Sorrow“, in dem das abergläubische Zählen von Elstern – die zur Familie der Krähenvögel gehören – von eins bis zehn, verbunden mit einer jeweils anderen Bedeutung, praktiziert wird. Adam Duritz, der Sänger der Band, war mit Marie-Luise Parker befreundet, die in dem Film „Signs of Life“ 1989 ihr Leinwanddebüt hatte. Im Film (der auch als „One for Sorrow, Two for Joy“ bekannt wurde), kommt dieser Kinderreim vor. Duritz war nicht nur von seiner Freundin, sondern auch von diesem Kindervers fasziniert und beschloss die Band nach den zu zählenden Krähenvögeln zu benennen. Der komplette Vers wurde auch in den Song „A Murder of One“ auf ihrem Debütalbum „August and Everything After“ eingebaut.

Neil Halstead und Rachel Goswell suchten einen Namen für ihre Band und lasen in einem Zeitungsartikel über die langsame Bewegung von Menschen, die sich in einem LSD-Trip befanden. Der Artikel verwendete den Begriff „slow dive“, um diese langsame, bewusste Wahrnehmung zu beschreiben. Halstead und Goswell fanden, dass dieser Ausdruck ganz genau zu ihrer Musik passt, die oft von träumerischen, langsamen und atmosphärischen Klängen geprägt ist. Und so gab es von da an die Band Slow Dive im Shoegaze-Genre.

Zum Schluss wollen wir noch die Geschichte von Acht Eimer Hühnerherzen aufklären. Das ist eine Berliner Punk-Band, die sich durch energiegeladene Live-Auftritte und eigenwillige, humorvolle Texte einen Namen in der Szene gemacht hat. Ihr Name stammt aus einem Gedicht von Erich Mühsam, einem Schriftsteller und Dichter der Weimarer Republik, der von den Nazis 1934 im KZ Oranienburg umgebracht wurde. Das Gedicht heißt „Bubenmädchenlied“ und enthält die Textzeile „Acht Eimer Hühnerherzen, wenn man sie nur fände.“ Die Band fand mit Recht, dass das der richtige Bandname für sie sei.

Damit wollen wir es erst einmal bewenden lassen, vielleicht setzen wir den Artikel später auch noch mal fort. Wir haben nach bestem Wissen und Gewissen im Netz geforscht, wie die Bandnamen entstanden sind, aber da ja im Netz viel geschrieben wird wenn der Tag lang ist, ist es durchaus möglich, dass wir der einen oder anderen Legende aufgesessen sind. Ihr könnt uns ja vielleicht Eure Geschichten zu kuriosen oder ungewöhnlichen Bandnamen und deren Entstehungsgeschichte zuschicken und wir basteln einen neuen Blog-Artikel daraus.

/AME